Amnesty Osnabrück – Schwerpunkt Myanmar

Rohingya verfolgt in Myanmar:

Wir sind dem Zusammenbruch nah

Seit den Wahlen Ende 2010 hat sich die Menschenrechtssituation in Myanmar, dem ehemaligen Burma, in einigen Bereichen insgesamt verbessert. Jedoch: Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind nach wie vor eingeschränkt, und es gibt immer noch zahlreiche politische Gefangene. In vielen Gebieten ethnischer Minderheiten sind Menschenrechtsverletzungen durch die Armee alltäglich.

Im Teilstaat Rakhine (Verwaltungseinheit Rakhaing) haben Soldaten und Polizisten Gewaltakte gegen Rohingya als kollektive Strafe  begangen.

In einer Gewaltkampagne unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung geht Myanmar gezielt gegen Angehörige der Rohingya, einer muslimischen Minderheit, vor. Amnesty International vermutet Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Sicherheitskräfte sind verantwortlich für rechtswidrige Tötungen, Vergewaltigungen und das Abbrennen von Häusern und ganzen Dörfern. Das enthüllt Amnesty International im Bericht „We are at breaking point: Rohingya – Persecuted in Myanmar, neglected in Bangladesh.“

Zufällige Angriffe und Morde

Überreste niedergebrannter Häuser im Dorf Wa Peik, einem Rohingya-Dorf in Rakhine, Nord-Myanmar. 14. Oktober 2016. © YE AUNG THU/AFP/Getty Images

Nach einem Anschlag auf Grenzpolizeiposten am 9. Oktober 2016 starteten die Sicherheitskräfte von Myanmar eine gross angelegte Sicherheitsoperation im nördlichen Rakhaing-Staat. Angehörige der Rohingya-Minderheit wurden beschuldigt, für den Anschlag verantwortlich zu sein, bei dem neun Polizeibeamte ums Leben kamen.

Was folgte, war eine militärische Kampagne, die weit über eine verhältnismässige Antwort auf eine Bedrohung der Sicherheit hinausgeht. Mehrere Augenzeugen beschreiben, wie Soldaten ihre Dörfer stürmten und zufällig anwesende Dorfbewohner, darunter auch Frauen und Kinder, töteten. Amnesty International konnte die Zahl der Todesopfer nicht verifizieren.

In einem Vorfall am 12. November 2016 wurden zwei Kampfhubschrauber eingesetzt, um die vermuteten Attentäter nach einem Scharmützel zu stellen. Die Helikopter schossen willkürlich auf Dorfbewohner, die in Panik flohen. Wieder wurde eine unbekannte Zahl getötet. Am nächsten Tag eröffneten Truppen das Feuer auf Hunderte von Häusern. Ein 30-jähriger Augenzeuge berichtet:

[su_quote]Wir hatten Angst, als wir den Lärm vom Hubschrauber hörten … Die Soldaten schossen zufällig. Wenn sie jemanden sahen, schoss der Hubschrauber. Sie schossen für eine lange Zeit … Wir konnten in dieser Nacht nicht schlafen. Am nächsten Morgen kam das Militär und fing wieder an zu schiessen.[/su_quote]

Vergewaltigung und andere sexuelle Gewalt

Soldaten haben während der Operationen Frauen und Mädchen vergewaltigt und sexuell missbraucht, und zwar als Teil der Razzien, während die Männer des Dorfes geflohen waren. Amnesty International hat mehrere Rohingya-Frauen interviewt, die von Soldaten vergewaltigt worden waren, und auch Menschen, die die Vergewaltigungen beobachtet haben.

Fatimah, eine 32-jährige Rohingya-Frau, die nach Bangladesch geflohen ist, sagte, Soldaten hätten ihr Dorf betreten und sie auf ein Reisfeld geschleppt, wo sie sie vergewaltigten:

[su_quote]Drei Militärs haben mich vergewaltigt … Ich erinnere mich nicht, was als nächstes passierte, weil ich bewusstlos umfiel … Ich wachte früh am nächsten Morgen auf. Ich konnte nicht aufstehen, also kroch ich über das Reisfeld.[/su_quote]
Rafendi Djamin, Direktor des Amnesty International Büros Südost Asien und Pazifik Region sagte dazu:

[su_quote]Die Behörden in Myanmar haben vorsätzlich über die Vergehen des Militärs weggeschaut. Diese völlig unangemessenen Verstösse müssen sofort beendet werden. Unabhängige Untersuchungen müssen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.[/su_quote]

Flucht nach Bangladesch

Tausende von Rohingya sind in den letzten Monaten über die Grenze nach Bangladesch geflüchtet, um dort Sicherheit zu suchen. © Amnesty International

Tausende von Rohingya sind in den letzten Monaten über die Grenze nach Bangladesch geflüchtet, um dort Sicherheit zu suchen. Die genaue Zahl der Flüchtlinge ist unmöglich zu bestimmen, aber die Uno schätzt die Zahl auf mindestens 27.000. Als Reaktion auf den Zustrom hat Bangladesch seine seit langem bestehende Politik der dichten Grenzen zu Myanmar zusätzlich verschärft und Tausende, die versucht haben zu fliehen, zurückgeschafft. Das widerspricht dem völkerrechtlichen Grundsatz des Non-Refoulements (Prinzip der Nicht-Zurückweisung), das die Zwangsrückführung von Personen in ein Land oder einen Ort verbietet, in dem sie von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen bedroht sind.

[su_quote]Die Regierung in Bangladesch muss ihre Grenzen für Asylsuchende öffnen und verhindern, dass Rohingya sich verstecken müssen und wie Verbrecher behandelt werden. Hilfsorganisationen müssen ungehinderten Zugang zu den Zehntausenden von Menschen gewährt bekommen, die vor dem schrecklichen Missbrauch geflohen sind[/su_quote] sagte Champa Patel, Direktorin von Amnesty International für Südasien.

Myanmar Phyoe Phyoe Aung und zahlreiche weitere Studierende freigelassen

Die Freilassung von Dutzenden von Studierenden, die 2015 im Zuge von Protesten verhaftet worden waren, ist ein wichtiger Schritt. Unter den Freigelassenen befindet sich auch Phyoe Phyoe Aung, für die sich Amnesty auch im Rahmen des weltweiten Briefmarathons eingesetzt hatte. Amnesty International fordert weiterhin die Freilassung sämtlicher Gewissensgefangener sowie die Änderung von Gesetzen, welche willkürliche Haft erst ermöglichen.

13. März 2023